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Dauerhafter Haarverlust als Risiko der Chemotherapie
Die Ärzte hätten über die Möglich­keit eines dauer­haf­ten Haarver­lus­tes aufklä­ren müssen, so das OLG Köln.Bild: Carolannefreeling/Dreamstime.com

Die Patien­tin hatte sich wegen Brust­krebs im Kranken­haus operie­ren lassen. Die anschlie­ßende Chemo­the­ra­pie führten die behan­deln­den Ärzte mit einem damals recht neuen und beson­ders wirksa­men Medika­ment durch. Nach der Behand­lung trat bei der Kläge­rin dauer­haf­ter Haarver­lust ein. Körper­be­haa­rung, Wimpern und Augen­brauen fehlen seitdem fast vollstän­dig. Das Kopfhaar wächst nur teilweise nach. Über dieses Risiko hatten die Ärzte die Kläge­rin nicht aufge­klärt.

Das Landge­richt Köln (Urteil vom 9.4.2014, Az.: 25 O 290/11) hatte die Klage abgewie­sen. Es war der Auffas­sung, dass es zum Behand­lungs­zeit­punkt keine ausrei­chen­den Anhalts­punkte für das Risiko eines dauer­haf­ten Haarver­lusts gegeben habe. Das OLG Köln hat dagegen die Situa­tion anders bewer­tet und der Klage statt­ge­ge­ben.

Studie zeigte Möglich­keit für einen dauer­haf­ten Haarver­lust auf

Nach Auffas­sung des Oberlan­des­ge­richts hat nach den vom Herstel­ler zum Behand­lungs­zeit­punkt (2007/2008) veröf­fent­lich­ten Fachin­for­ma­tio­nen für Ärzte die Gefahr bestan­den, dass als Folge des Medika­ments ein dauer­haf­ter Haaraus­fall eintre­ten würde. Im Rahmen einer Studie hätte sich bei einer mittle­ren Nachbe­ob­ach­tungs­zeit von 55 Monaten bei 3,2 Prozent der Patien­tin­nen dauer­haf­ter Haaraus­fall einge­stellt. Auf dieser Grund­lage sei die Kläge­rin vor Einlei­tung der Chemo­the­ra­pie fehler­haft aufge­klärt worden. Nach dem Erkennt­nis­stand, der für einen sorgfäl­ti­gen, senolo­gisch tätigen Gynäko­lo­gen bei Führung des Aufklä­rungs­ge­sprächs und Beginn der Chemo­the­ra­pie zu berück­sich­ti­gen war, hätte die Kläge­rin über das Risiko aufge­klärt werden müssen, dass bei Verwen­dung des Medika­ments ein dauer­haf­ter Haarver­lust eintre­ten konnte. Denn Patien­ten müssten vor einer ärztli­chen Behand­lungs­maß­nahme „im Großen und Ganzen“ wissen, worauf sie sich einlas­sen. Über das Risiko eines dauer­haf­ten Haarver­lusts sei auch dann aufzu­klä­ren, wenn es sich selten verwirk­li­che. Die Kompli­ka­tion würde, sofern sie eintritt, Patien­ten meist schwer belas­ten und daher für die Entschei­dung für oder gegen eine Behand­lung Bedeu­tung haben.

Entschei­dungs­kon­flikt im Fall einer vollstän­di­gen Aufklä­rung möglich

Ohne Erfolg blieb der – grund­sätz­lich zuläs­sige – Einwand des Kranken­hau­ses, dass sich die Patien­tin auch bei vollstän­di­ger Aufklä­rung für die Chemo­the­ra­pie mit dem Medika­ment entschie­den hätte. Das Oberlan­des­ge­richt hatte die Kläge­rin nachdrück­lich und lange befragt und es danach für plausi­bel gehal­ten, dass sie sich im Fall einer vollstän­di­gen Aufklä­rung in einem sogenann­ten „echten Entschei­dungs­kon­flikt“ befun­den hätte. Es sei nicht sicher, dass sich die Patien­tin bei der Abwägung zwischen einer abstrak­ten höheren Überle­bens­wahr­schein­lich­keit mit dem Medika­ment und dem gerin­gen aber konkre­ten Risiko des dauer­haf­ten Haarver­lus­tes auch bei vollstän­di­ger Aufklä­rung für diese Thera­pie entschie­den hätte.

Bei der Höhe des Schmer­zens­gel­des hat das OLG Köln insbe­son­dere berück­sich­tigt, dass es bei der Kläge­rin zu erheb­li­chen und nachhal­ti­gen psychi­schen Folgen und seeli­schen Belas­tun­gen aufgrund des Haarver­lus­tes gekom­men ist.

Die Revision gegen die Entschei­dung ist nicht zugelas­sen worden. Das Urteil vom 21.3.2016 (Az.: 5 U 76/14) ist damit nur mit der sogenann­ten Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde beim BGH angreif­bar.

Quelle: OLG Köln